Discussion:
Irish Step-dance: warum so starr?
(zu alt für eine Antwort)
Mario Herger
vor 20 Jahren
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Weil ich gerade wieder ein paar irische Stepdance Videos reinbekommen habe:
kann mir jemand sagen, warum sich diese Art der Haltung - starrer Oberkörper
und herunterhängende Arme bei gleichzeitiger grosser Freiheit der Füsse -
entwickelt hat? Eine Begründung mit Tanzverbot und so habe ich mal gehört,
doch was ist wirklich dran?

Danke

Mario
Dominik Dross
vor 20 Jahren
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Hallo,

also soweit ich weiss war es den Iren früher durch die Engländer verboten,
in Pubs zu tanzen.
Daraufhin haben Sie die Türen ausgebaut, diese auf den Boden gelegt und
darauf gesteppt. Der Oberkörper wurde steif gehalten, damit englische Wachen
von Aussen durchs Fenster nichts von dem Tanzen sehen konnten. Daher dieses
"Tanzen nur mit den Beinen".

Gruss
Dominik
Post by Mario Herger
kann mir jemand sagen, warum sich diese Art der Haltung - starrer Oberkörper
und herunterhängende Arme bei gleichzeitiger grosser Freiheit der Füsse -
entwickelt hat? Eine Begründung mit Tanzverbot und so habe ich mal gehört,
doch was ist wirklich dran?
Danke
Mario
Mario Herger
vor 20 Jahren
Permalink
Post by Dominik Dross
also soweit ich weiss war es den Iren früher durch die Engländer verboten,
in Pubs zu tanzen.
Daraufhin haben Sie die Türen ausgebaut, diese auf den Boden gelegt und
darauf gesteppt. Der Oberkörper wurde steif gehalten, damit englische Wachen
von Aussen durchs Fenster nichts von dem Tanzen sehen konnten. Daher dieses
"Tanzen nur mit den Beinen".
Genau das habe ich auch gehört, aber stimmt das? Ich meine, der Oberkörper
bleibt ja trotzdem in einem ziemlichen Auf und Ab. Und ausserdem kann ich
mir nicht vorstellen, dass die englischen Wachen so dämlich sind und durchs
Fenster blickend nicht die Beine sehen können und das "Herumgehopse" als
normales Bier-von-der-Theke-holen interpretieren.
Ausserdem: wenn die (Aussen?)Türen ausgehängt sind, sehen die Wachen ja erst
recht wieder in die ganze Stube rein und überhaupt: wer hindert einen
"Besatzer", mal selbst ins Pub reinzulatschen und sich ein Bild zu machen?
Oder war die biergeschwängerte irische Publuft zu stark für die englischen
Wachen?

Die Begründung erscheint mir somit gewissermassen als "populäre
Tanzfolklore"...

Mario
Anja Breest
vor 20 Jahren
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Post by Mario Herger
Post by Dominik Dross
also soweit ich weiss war es den Iren früher durch die Engländer verboten,
in Pubs zu tanzen.
Die Begründung erscheint mir somit gewissermassen als "populäre
Tanzfolklore"...
Vermutlich sagte irgendwann mal ein Lehrer zu seinem Schüler "Schlenker
nicht immer so mit den Armen", woraufhin dieser, wie es Schüler Art ist, die
Sache übertrieb.
Es kam dann zu Wettbewerben in der Klasse a la "Ich kann aber steifer als
Du" und das Werttkampftanzen war geboren.

Nein, nein, auch wenn ich es mir so vorstellen KANN, ist die Begründung rein
auf meinem Mist gewachsen.

Genausogut kann es sein, dass die straffe, stolze Haltung eine Tänzers
besonders elegant wirkte und deshalb nachgeahmt wurde.
Und wie das mit Stilen so ist, sie entwickeln sich dann manchesmal in eine
extremere Richtung, als ursprünglich gedacht.

Und vermutlich soll(te) die Aufmerksamkeit ganz einfach strikt auf die
Fusstechnik gerichtet werden.
Auch beim Oriantalischen Tanz halten wir die Arme oft ruhig in einer
Grundposition, wenn wir einen anderen Teil des Körpers betonen wollen (z.B.
bei Bauchwellen), weil sonst die "wedelnden Hände" nur ablenken würden.
(Wobei sonst natürlich viel mit Armen gemacht wird...)

Also: keine Ahnung, aber viele Theorien ;-)

Gruss,
Anja
Peter Eberhart
vor 20 Jahren
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hab da was über google gefunden, was diese tanzverbotgeschichte genauer
erklärt:
nachastehen der link (nur im google-cache zu finden) oder unten der
wichtigste auszug.

http://www.google.de/search?q=cache:ymTpgXAzubwJ:tanz.ilaros.de/allgemein/tanz.htm+irish+step-dance+entstehung&hl=de


Grüße, Peter

Entstanden ist des Irish Dancing in seiner heutigen Charakteristik
eigentlich erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die charakteristische
Tanzhaltung - aufrecht und nur die Beine bewegend - hatte sich da zwar schon
herausgebildet, aber die Solo Dances mit ihren komplizierten und schnellen
Schrittfolgen, die die Grundlage des heutigen irischen Showstepptanzes
bilden, gab es vorher noch gar nicht in dieser Form.
Tanzen gehörte schon immer zum irischen Lebensgefühl und zur alltäglichen
irischen Kultur. Der irische Tanz hat sich als eine stilistische Einheit
über zwei Jahrtausende hinweg entwickelt. Die Ursprünge gehen auf alte
keltische Ritualtänze zurück. Im 11. Jahrhundert wurde es üblich, dass sich
das Volk auf Feiseanna ['fèíÉn:É] traf - keine einfachen
Tanzveranstaltungen, sondern genauso politische Treffen, Volksfeste und
Handelsmärkte - alles in einem. Nach der englischen Eroberung kamen
verschiedene anglo-normannische Tänze nach Irland und verschmolzen teilweise
mit der irischen Tradition, die aber eigenständig blieb, denn besonders
während der 800 Jahre andauernden englischen Besetzung Irlands war es nicht
zuletzt der Tanz, der den Iren als Mittel der Demonstration ihrer
kulturellen Eigenständigkeit diente. Tanzen wurde zu einer Form des
Widerstandes gegen die Politik der Besatzer, jede kulturelle
Eigenständigkeit der irischen Bevölkerung zu unterdrücken und die irische
Identität auszulöschen. Nicht zuletzt galt den puritanischen Engländern die
ausgelassene Fröhlichkeit des irischen Tanzes auch aus religiösen Gründen
als obszön und verwerflich. Im Jahre 1366 wurde von ihnen daher aus diesen
Gründen die irische Kultur und mit ihr der irische Tanz im Statut von
Kilkenny verboten. Für Verstöße wurden schwerste Strafen angedroht und auch
tatsächlich verhängt und ausgeführt.
Als Tanz jedoch galt die Bewegung des ganzen Körpers, und so beschränkten
sich die Iren fortan darauf, nur mit den Füßen zu tanzen, ansonsten aber
hoch aufgerichtet und mit unbeweglichem Körper und angelegten Armen. Damit
umgingen sie das Verbot, da dies kein Tanz im Sinne des Verbotes war - und
die typische steife irische Tanzhaltung war geboren. Statt die irische
Kultur auszulöschen, trugen die Besatzer damit sogar noch zur Ausprägung des
irischen Stils bei. So entstanden bis zum 16. Jahrhundert Tänze wie Rince
Fada, Irish Hey und Trenchmore, aber auch schon Jigs. Rince Fada oder Long
Dances, bei denen sich Männer und Frauen in zwei langen Reihen gegenüber
standen, wurden gemeinsam mit den englischen Carols, bei denen sechs Paare
tanzten, zu den Wurzeln des heutigen Céilí Dance. Beim Irish Hey tanzte ein
Tänzer aus einer Reihe anderer Tänzer heraus. Dies war der Vorläufer des
heutigen Reel, der vor allem auch durch schottische Musik- und Tanztechniken
beeinflusst wurde. Jigs wurden damals noch als Gruppentänze getanzt, stellen
aber sowohl musikalisch, als auch tänzerisch eine speziell irische
Entwicklung dar.

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